Eine Meinung zu Horizon Forbidden West zu formulieren ist schwierig: Weite Teile des Spiels sind eine No Fun Zone, gleichzeitig habe ich aber mittlerweile über 130 Stunden dort verbracht. Wie passt das zusammen?
Die Welt von Forbidden West ist vielseitiger und schöner als die von Zero Dawn. Es gibt Wälder mit Riesenbäumen, tropische Küstengebiete, grüne Trauminseln, Schneelandschaften, Wüstengegenden und natürlich das Startgebiet mit seinen Herbstwäldern. Die Welt ist bevölkert mit Tieren und Maschinen, die Ortschaften sind lebendig und ich kann im Meer schwimmen, tauchen und Rochen beobachten. Als ich einen Sunwing bestieg, den schneebedeckten Berg herunterflog und zum ersten Mal im Areal der riesigen Bäume war, war dies ebenso atemberaubend wie Aloys erste Bootsfahrt im Sonnenuntergang. Die Welt von Forbidden West ist wunderschön. Nicht aber das darin realisierte Spiel.
Die umgesetzte Story ist weniger mitreißend als die des ersten Spiels, die Melee Pits und Arena-Kämpfe sprechen mich nicht an, aber viele andere haben Spaß daran, sich dort gegen die Gegner zu beweisen. Damit kann ich leben. Ich habe hauptsächlich ein Problem damit, dass Forbidden West selten belohnt, dafür häufig bestraft, bis hin zur Lächerlichkeit, und die Ubisoft-Checklist-Formel deutlich überstrapaziert. Forbidden West ist gefüllt all den Dingen, deren Fehlen Zero Dawn zu so einem angenehmen Spiel gemacht haben.
Blockierte Pfade
Forbidden West blockiert bereits in der Einführungswelt viele Bereiche, weil benötigtes Werkzeug fehlt: Firegleam und Vine Cutter. Erst nach Erhalt dieser Werkzeuge kann Aloy Firegleam entzünden oder Ranken der Metal Flowers entfernen. Diese Beschränkung ergibt bereits in der Logik der Ausrüstung, die Aloy immer dabei hat, keinen Sinn (diverse Bomben, explodierende Speere, brennende Pfeile oder ihre Lanze), senkt aber gleichzeitig die Motiviation zur Erkundung.
Dieser Drang zu Erkunden war in Zero Dawn stark ausgeprägt: Sowohl die Story (wer bin ich? Wo komme ich her?) als auch die Beschreibung von Meridian als die große Stadt sorgen schnell dafür, dass man Meridian erreichen möchte. In Forbidden West existiert ein derartiges Ziel nicht – den Forbidden West hat man schließlich zu Beginn erreicht und die Story mäandert anschließend bis zum Erreichen der Basis vor sich her. Blockierte Pfade helfen nicht.
Metal Flowers
Waren im ersten Spiel Metal Flowers bezaubernde Kunstwerke, umgeben von einem dreieckigen Blumenarrangement, so muss man in Forbidden West mehrmals auf die Blume einschlagen, sie überschreiben und findet dann, nach Entfernung der Ranken, eine Truhe mit Müll: Die Belohnung für meine Arbeit ist eine Kiste mit Armbanduhren, Zahnstochern oder Health Potions. Dem Müll, der überall in der Spielwelt herumliegt, selbst in Autos, weil wir, the Old Ones, offenbar mit nichts anderem beschäftigt waren, als Digitalarmbanduhren und Zahnstocher in größerer Anzahl zu verstecken. Es handelt sich dabei folglich um keine Belohnung mehr: Achselzuckend nimmt man den Müll entgegen und hat ein weiteres Symbol von vielen auf der Map abgehakt.
Sunken Caverns
Was habe ich diese Level in Shadow of the Tomb Raider geliebt! In Forbidden West taucht man leider nur durch einige Höhlen, gefüllt mit Boxen des üblichen Mülls. In versteckten Bereichen kann man Greenshine, eine der vielen Währungen des Spiels, finden. Allerdings: Greenshine liegt überall in der Welt herum. Sobald man fliegen kann, kann man überall Greenshine aufsammeln, mehr, als man jemals für Einkäufe bei Händlern benötigt. Belohnungsgefühl: Nicht vorhanden.
Black Boxes
Flugschreiber sind häufig hinter blockierten Pfaden versteckt und benötigen den Vine Cutter oder die Tauchermaske. Hat man alle eingesammelt, so kann man sie eintauschen und erhält einen Legendary Blastsling. Die Legendary-Waffen sind stark, allerdings verbrauchen sie für ihre Munition Volatile Sludge, wovon man nur 15 transportieren kann. Wer sich folglich mit mehreren Legendary-Waffen ausstattet hat insgesamt, über alle Waffen hinweg, nur die Möglichkeit, wenige Stück Munition im Kampf zu erzeugen. Anschließend muss das Material von Maschinen erkämpft oder teuer bei Händlern erworben werden. So fühlt sich eine derartige Belohnung mehr wie eine Bestrafung an.
Immerhin: Ähnlich wie die Vantage Points in Zero Dawn erzählen die Black Boxes eine Geschichte.
Drones
Drohnen sind ein weiteres Collectible im Spiel und dienen gänzlich sinnlos als Bildschirmschoner in der Basis. Sammelt man alle Drohnen ein und übergibt sie Gaja, so gibt es keine Trophäe des Spiels, nicht einmal ein Dankeschön von Gaja, die mit den Drohnendaten die Welt beobachtet. Es passiert: Nichts. And all I got was this lousy T-Shirt.
Vista Points, Relic Ruins: Alles dasselbe. Maximal gibt es Müll als Belohnung.
Collectibles insgesamt
Firegleam, Metal Flowers, Caverns, Vista Points, Relic Ruins, Black Boxes: Alles fühlt sich nach Arbeit an. Die Belohnung, wenn es sie denn gibt, ist Müll. Ich habe daraufhin das Abarbeiten dieser Collectibles abgebrochen. In Zero Dawn hatte ich dagegen alles gemacht. Ich hatte z.B. großen Spaß an der Sammlung der verschiedenen Banuk-Figuren in den Bergen. Klettern, die verschiedenen bunten Zeichnungen finden, am Ende die Banuk-Figur, dann das Abseilen, alles immer in der grandiosen Aussicht auf schneebedeckte Berge. Zero Dawn lieferte hier eine gute Zeit ab, Forbidden West versagt.
Weapons
Jegliches Equipment verfügt über mehrere Update-Stufen, die jeweils verschiedene Materialien von Maschinen, Tieren und Pflanzen benötigen, sowie verschiedene Währungsformen. Auch Zero Dawn hatte ein ähnliches System für die Erweiterung von Taschenkapazitäten, aber nicht für Waffen. Je wertiger die Waffe ist, desto seltener ist das Material zu finden (oder umso teurer ist es bei Händlern zu erwerben).
Leider gibt es nicht nur eine Waffe, sondern unendlich viele. Gefühlt jeder Quest verteilt irgendeine Waffe als Belohnung, zusätzlich zu den Waffen, die die verschiedenen Händler anbieten. Die Waffen überschneiden sich vielfach in ihren Elementarschäden, sodass man die Slots im Weapon Wheel redundant belegen muss. Über allen Waffen schwebt immer der Gedanke: Upgrade ich jetzt diesen Bogen auf die höchste Stufe oder warte ich auf den nächsten, der bereits bei Stufe 2 die gleiche Stärke hätte, aber viel schwerer erhältliches Upgradematerial erfordert? Das bedeutet: Grind. Viel Grind. Und Grinden hat in Forbidden West noch eine unangenehme Abhängigkeit von der gewählten Schwierigkeit: Je höher die Schwierigkeit, desto seltener werfen Maschinen die benötigten Teile ab. Auch hier also: No Fun Zone.
Ich habe kein Problem mit Grind. Ich habe ein Problem mit einer Spielmechanik, die nur vorhanden ist, damit die Spielzeit gestreckt wird oder irgendjemand einen Haken auf der RPG-Featureliste setzen kann.
Skills
Der Skill-Tree von Zero Dawn war überschaubar, der von Forbidden West ist umfangreich, redundant und teils einfach nur ärgerlich. Die Menge der aufstellbaren Fallen ist z.B. keine aktive oder passive Fähigkeit, aber hier dennoch im Skill Tree vorhanden. Wie viele Fallen ich aufstellen kann ist bereits durch die erforderlichen Ressourcen und die Menge an mitführbaren Fallen limitiert. Noch eine dritte Limitierung einzuführen, die nichts mit meinen Fähigkeiten zu tun hat, ist nur eine künstliche Einschränkung. Als Folge habe ich im gesamten Spiel gar keine Fallen verwendet, wogegen ich in Zero Dawn mit viel Freude alles mit Fallen voll gestellt hatte, um anschließend eine große Maschine strategisch in die passenden Fallen zu locken.
Rebels
In Zero Dawn liebte ich die verschiedenen Rebel Camps. Als Scharfschütze suchte ich mir verdeckte, hoch gelegene Bereiche, häufig außerhalb des Camps, und schoss nach und nach die Rebellen ab. In Frozen Wilds wurde das komplizierter, denn die Rebellen konnten mich aktiv tracken und jagen. Forbidden West geht nun mehrere Schritte zurück. Die Rebel Camps sind auffallend verdeckt platziert, z.B. umrundet von Felsen, bei denen – selbstverständlich – die Kletterfunktion abgeschaltet wurde. Die Rebellen verstecken sich häufig unterhalb von Zeltdächern. Dächern, die Pfeile, welche durch Personen durchschießen können, nicht durchstoßen können…
Dies erweckt den Eindruck, dass die Rebel Camps für Melee Combat optimiert wurden, mir also ein Spielstil aufgezwängt wird, während Zero Dawn völlig flexibel war. Als Folge reagieren die Rebellen stark, wenn sie mich sehen, und kaum, wenn ich von außen entspannt alle töte. Das geht sogar so weit, dass ich auf der höchsten Schwierigkeitsstufe auf einem Fleck stehen und gemütlich alle nacheinander per Pfeil umlegen kann. Schießbudenfiguren.
Quests
Nachdem das alles eine No Fun Zone ist, dann müssen doch wenigstens die verschiedenen Quests gut sein? Dafür wurde Forbidden West schließlich so gelobt. Teils teils. Manche Side Quests sind gelungen, sehr viele sind allerdings klassische Side Quests in bereits häufig besuchten Arealen (mit, natürlich, wieder denselben Gegnern).
Durch Quests zieht sich allerdings der Mangel an Belohnungsgefühl. Drei Beispiele: In einem Quest muss eine Basis gesprengt werden. Aloy startet den Countdown, man muss schnell raus rennen und CUT, ALOY STEHT DRAUSSEN. Quest vorbei. What? In einem anderen Quest muss ein Gerät gefunden werden, anschließend gibt es eine dramatische Flug- und Absturzszene, nach deren Ende DASSELBE GERÄT NOCH EINMAL GEFUNDEN WERDEN MUSS? What? Dieser Stil zieht sich durch. Einmal folgte ich mit dem Focus einer Spur, kam letztlich an einen bereits mehrfach besuchtem Shelter, Aloy kommentierte "hier war lange Zeit niemand" und das war's. Weshalb war da eine Spur, der man folgen konnte? Weshalb endet das im Nichts??!
Fazit
Weniger wäre mehr gewesen. Zero Dawn war weniger. Damals war ich erfreut, dass Zero Dawn den ganzen Ballast nicht enthielt, den andere Spiele mit sich herum schleppen. Forbidden West bekam nun diesen Ballast und noch viel mehr. Es zwingt mir Spielmechaniken auf, die sichtlich nur vorhanden sind, um die Spielzeit zu strecken, dabei aber null Freude erzeugen.
Dennoch steckt auch in Forbidden West viel Positives. Wenn man viele Icons ignoriert, viele der absurden Fetch-Quests (z.B. alle Salvage Contracts), sich eher an den Main Quest hält, um schnell zu vernünftigen Waffen (z.B. Regalla's Bow) zu gelagen, dann macht das Spiel Spaß. Bis man endlich im Late Game fliegen kann und einem plötzlich die gesamte Welt offen steht. Dann wird Forbidden West grandios.
Wertung:
- Zero Dawn: 10/10
- Frozen Wilds: 7/10
- Forbidden West 7/10