Was kann abgestimmt werden?
Ergebnis eines Basisentscheids ist ein Beschluss, der einem Beschluss auf dem BPT gleicht, somit verbindlich ist. Sollte der Basisentscheid ein Thema betreffen, welches dem Parteiprogramm widerspricht oder nur auf einem BPT abgestimmt werden können, so gilt der Beschluss als empfehlend.
Wer darf Anträge stellen?
Ein Antrag darf nicht von Einzelpersonen, sondern nur von einem Team von mindestens fünf akkreditierten Mitgliedern eingereicht werden oder über den BPT. Der Bundesvorstand darf zusätzlich organisatorische Anträge einbringen.
Wie werden Anträge vorgestellt?
Vor einer Abstimmung werden die Anträge angemessen vorgestellt und zu deren Inhalt eine für alle Teilnehmer zugängliche Debatte gefördert. Es ist nicht definiert, was "angemessen" bedeutet.
Wer steuert die Anträge?
Sogenannte Verantwortliche, die per BPT oder Basisentscheid gewählt werden. Existieren wie momentan keine Verantwortliche, so steuert der Vorstand die Anträge. Der Vorstand entscheidet somit momentan, welche Anträge zulässig sind, welche Anträge konkurrierend sind und wann die Anträge abgestimmt werden (Stichtag).
Welche Fristen gibt es?
- Vier Wochen vor Stichtag: Teilnehmer werden per Mail eingeladen und über die Anträge informiert.
- Ab Einladung bis Stichtag: Offene Debatte.
- Ab zwei Wochen vor Stichtag: Abstimmung.
- Nach Stichtag: "Umgehende" Auszählung und Veröffentlichung.
- Bis eine Woche nach Veröffentlichung: Anfechtungsmöglichkeit.
- Eine Woche nach Veröffentlichung oder nach einem Schiedsgerichtverfahren: Löschung der Pseudonym-Zuordnung und keine weitere sichere Aufbewahrung der Stimmzettel.
Die Fristen können "in besonders dringenden, für die Partei unerlässlichen, vorab begründeten Ausnahmefällen" unterschritten werden. Wie diese Ausnahmefälle bei den Verantwortlichen beantragt und beschlossen werden ist nicht definiert.
Was mit dem Stimmzetteln nach Beendigung der sicheren Aufbewahrung geschieht ist nicht definiert.
Nach einer Abstimmung über einen Antrag sind dieser oder sehr ähnliche Anträge für eine Dauer von 12 Monaten zur Einreichung, Einbringung und Abstimmung gesperrt. Wie diese Ähnlichkeit erkannt wird ist nicht definiert. Vermutlich fällt dies in den Verantwortungsbereich der Verantwortlichen, somit momentan des Vorstands.
Zwischen den Stichtagen muss ein Abstand von mindestens vier Wochen liegen, es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall vor. Es sollen nicht mehr als zwanzig Abstimmungen zu demselben Stichtag erfolgen, was die Anzahl der insgesamt durchführbaren regulär abstimmbaren Anträge auf 260 pro Jahr deckelt.
Böswillig betrachtet ist damit der Bundesvorstand, der selber organisatorische Anträge einreichen darf, in der Lage, das System alleine durch die Anzahl der Anträge zu blockieren.
Wer darf abstimmen?
Teilnahmeberechtigt sind alle persönlich identifizierten, am Tag der Teilnahme stimmberechtigten Mitglieder, die mit ihren Mitgliedsbeiträgen nicht im Rückstand sind.
Wie werden Mitglieder informiert?
In Textform, somit also z.B. per E-Mail. Die eingereichten Anträge, sowie alle Abstimmungen und deren exakte Ergebnisse werden auf den Webseiten (welchen?) der Partei veröffentlicht.
Wann wird abgestimmt?
Über einen Antrag wird nur abgestimmt, wenn er innerhalb eines Zeitraums von zwölf Wochen vor dem Stichtag ein Quorum von 10% der Teilnehmer als Unterstützer erreicht (5% bei konkurrierenden Anträgen) oder der Antrag vom Bundesparteitag eingebracht wurde.
Das Quorum orientiert sich an der Anzahl von akkreditierten Mitgliedern, die sich für ein Themengebiet angemeldet haben. Momentan gibt es die Themengebiete "Politik" und "Innerparteiliches".
Ausnahme: In den ersten drei Kalendermonaten werden die Teilnehmer, die zum Ende des letzten Jahres stimmberechtigt waren, ebenfalls für das Quorum berücksichtigt.
Wie wird abgestimmt?
Abstimmungen können elektronisch, per Urne oder Brief, oder auf einem Parteitag erfolgen. Abstimmungen außerhalb des Parteitags erfolgen entweder pseudonymisiert (online) oder geheim (offline).
Bei einer pseudonymisierten Abstimmung wird jedem Teilnehmer ein neues, unverwechselbares Pseudonym (Einmal-Token) zugewiesen, mit dem nur der Teilnehmer und die Verantwortlichen die abgegebene Stimme dem Teilnehmer zuordnen können. Der Teilnehmer kann prüfen, ob seine Stimme korrekt im System gespeichert wurde. Da nicht definiert wurde, ob die Pseudonyme und ihr Stimmverhalten nach Abschluss der Veranstaltung veröffentlicht werden, kann momentan nicht gesagt werden, ob auch eine Prüfung der eigenen Stimme im Ergebnis möglich ist. Der Passus "die Verantwortlichen befragen stichprobenweise Teilnehmer, ob ihre Stimmen korrekt im Ergebnis erfasst wurden und erstatten darüber Bericht" deutet allerdings darauf hin.
Bei personellen Sachverhalten oder auf Antrag einer Minderheit (5%-Quorum) muss die Abstimmung geheim erfolgen. In einer geheimen Abstimmung sind die einzelnen Schritte für jeden Teilnehmer ohne besondere Sachkenntnisse nachvollziehbar und die Stimmabgabe erfolgt nicht elektronisch. Bei der Abstimmung per Urne erfolgt die Stimmabgabe an dezentralen Urnen. Falls nicht gewährleistet werden kann, dass eine Urne bis zum Stichtag sicher verschlossen werden kann, erfolgt die Stimmabgabe an ihr ausschliesslich am Stichtag. Jeder Teilnehmer wird einer Urne zugeordnet und kann nur dort nach persönlicher Identifizierung seine Stimme abgeben. Der Teilnehmer wird der seinem Wohnort nächstgelegenen Urne zugeordnet, es sei denn er beantragt bis zu drei Tage vor der Eröffnung der Urne eine andere Zuordnung. Die Auszählung erfolgt mitgliederöffentlich unverzüglich nach Ende des Stimmabgabezeitraums.
Wie kann das Ergebnis für die Teilnehmer überprüft werden?
Es besteht keine Möglichkeit, mit der Teilnehmer der Online-Abstimmungen überprüfen können, ob die abgegebenen Stimmen korrekt gewertet wurden oder ob nur die Stimmberechtigten abstimmen. Nur die Überprüfung der eigenen Stimme ist möglich. Es wird stattdessen festgelegt, dass die "Manipulation einer Abstimmung oder die Veröffentlichung von Teilergebnissen vor Abstimmungsende" "ein schwerer Verstoß gegen die Ordnung der Partei" sind.
Wie wird akkreditiert?
Teilnahmeberechtigt sind alle persönlich identifizierten, am Tag der Teilnahme stimmberechtigten Mitglieder, die mit ihren Mitgliedsbeiträgen nicht im Rückstand sind. Wie dies festgestellt wird ist nicht definiert.
Und was können wir nun damit machen?
Zunächst einmal gar nichts, denn das technische System dafür existiert nicht. Auch wenn die Antragsteller von wenigen Tagen Implementierungsarbeit sprechen, darf man hier getrost für fachliche und technische Konzeption, Entwicklung, Test, Live-Stellung und Bildung der innerparteilichen Prozesse von mehreren Monaten Arbeit sprechen, wenn man sich eine Gesamtlösung wie Liquid Feedback anschaut. Natürlich geht es auch kleiner: Antragsportal im Wiki und ein Abstimmtool ähnlich zu Limesurvey verschieben den kritischen Zeitpfad eher in Richtung der innerparteilichen Prozesse für die Brief- und Urnenwahl. Da wir keine Verantwortlichen gewählt haben obliegt es dem Vorstand, die Entwicklung des Systems voran zu treiben. Vor allem aber obliegt es dem Vorstand, einen Stichtag für die erste Abstimmung festzulegen. Solange kein Abstimmwerkzeug verfügbar ist kann dem Vorstand dies also egal sein, denn er legt einfach keinen Stichtag fest. Vermutlich wird der Vorstand auch eher mit der Wahl beschäftigt sein.
Wo und wie Anträge eingereicht werden ist ebenfalls nicht definiert, somit z.B. auch nicht, ob die Warteschlange für die Teilnehmer einsehbar ist. Böswillig ausgedrückt kann momentan der Vorstand also das System sowohl bei der Einreichung als auch bei den Abstimmungen - durch das Herauszögern eines Stichtags - blockieren.
Für mich ist damit klar, dass aus SÄA003 niemals ein lauffähiges System wird.
Aber selbst wenn es funktioniert erhalten wir damit nur ein Online-Abnickwerkzeug. Im Gegensatz zu Liquid Feedback, in dem Anträge gemeinsam erarbeitet und verbessert werden können, können wir hier nur die eingereichten Anträge abnicken. Die Geschäftsordnung erwähnt konkurrierende Anträge, nicht aber die Überarbeitung bereits eingereichter Anträge. Im Worst Case können somit Einreicher keine Änderungen durchführen, sondern nur einen weiteren - konkurrierenden Antrag - einreichen und den Originalantrag zurück ziehen, der dann aber von anderen übernommen werden könnte.
Der Workflow ist aber leider auch in anderen Fällen kaputt: Die offene Debatte beginnt vier Wochen vor dem Stichtag mit der Einladung an die Teilnehmer. Konkurrierende Anträge können aber anschließend nicht mehr eingereicht werden und auch ein Jahr lang nach der Abstimmung nicht mehr. Fällt also in der Phase der offenen Debatte jemandem etwas Schlimmes auf, so kann dies erst ein Jahr später korrigiert werden oder auf einem BPT, der ja halbjährlich stattfindet. Kritisch ist also, wann man von den Anträgen erfährt, damit man noch reagieren kann:
"Mitglieder werden in Textform rechtzeitig über mögliche Stichtage für Abstimmungen informiert. Die eingereichten Anträge, sowie alle Abstimmungen und deren exakte Ergebnisse werden auf den Webseiten der Partei veröffentlicht."
Eine E-Mail wird es folglich nur zur Kommunikation der Stichtage geben, nicht - wie bei Liquid Feedback - zur Kommunikation der Aktivitäten im System. Wenn wir davon ausgehen, dass mit "die eingereichten Anträge" tatsächlich alle eingereichten Anträge gemeint sind und nicht nur die für die Abstimmung relevanten (das wären "eingebrachte" Anträge), so ist unklar, wo diese veröffentlicht werden. Bedeutet "Webseiten der Partei" auch, dass die Anträge irgendwo im Wiki versteckt werden dürfen und das ausreichend wäre? Die Sichtbarkeit der Anträge muss folglich in der GO intensiver herausgearbeitet werden. An der Sichtbarkeit hängt die Beteiligung und somit der Erfolg des Systems.
Das Schöne ist: Das steht alles nicht in der Satzung, sondern in der GO und diese kann mit einfacher Mehrheit auf einem BPT oder direkt per Basisentscheid verändert werden. Diese Kritikpunkte am Prozess lassen sich folglich recht einfach beheben. Ich vermute dennoch, dass es einfacher ist, einfach eine abgesteckte Oberfläche für eines der existierenden Liquid Democracy-Tools zu entwickeln als hier ein neues Tool zu bauen.
Nun gut, was könnten wir denn nun damit abstimmen?
Aus der Begründung von SÄA003:
"Des weiteren kann prinzipiell über alle Sachverhalte abgestimmt werden, allerdings gelten die laut Parteiengesetz dem Parteitag vorbehaltenen Inhalte (u.a. Programm, Satzung, Vorstand) lediglich als empfehlende Basisbefragungen. Zwar wären solche Beschlüsse wegen des nicht mehr zeitgemäßen, halbgaren Parteiengesetz nicht rechtlich verbindlich, sie wären aber politisch wirksam und damit de facto verbindlich, wenn die Beschlüsse nach strengen demokratischen Grundregeln (Art. 21 GG) durch einen viel größeren Teilnehmerkreis zustande gekommen sind, und die Partei das Ergebnis als für sich verbindlich akzeptiert."
Ergibt somit: Sonstige Anträge lassen sich verbindlich durchführen, alles andere nur empfehlend. Ob die Abgeordneten oder der Vorstand das als verbindliche Parteientscheidung betrachten ist ihnen selbst überlassen.
Wir haben uns hier also gerade für ein System entschieden, welches noch nicht existiert, Abstimmungen maximal alle vier Wochen ermöglicht, keine Entwicklung der Antragstexte im System erlaubt, nur 260 Anträge pro Jahr behandeln kann, mit dem man nur sonstige Anträge behandeln kann und keine Möglichkeit hat, auf die Tagespolitik zu reagieren.
Welches Problem lösen wir damit? Gar keins.