Mit dem Paperwhite bietet Amazon nun endlich einen eInk-Reader an, welcher eine Vordergrundbeleuchtung integriert hat. Die Tasche mit separater Beleuchtung wird folglich nicht mehr gebraucht. Wer allerdings etwas in den Rezensionen stöbert findet offenbar häufig auftretende Verarbeitungs- und Softwarefehler:
- Schief eingebautes Display.
- Fehlerhafte Schriftdarstellung (fett statt normal, ändert sich beim Blättern wieder auf die richtige Darstellung).
- Unterschiedliche Helligkeitswerte bei gleichen Helligkeitseinstellungen.
- Defekte Pixel.
- Ständig leuchtende "Pixel".
- Farbwolken im eInk-Hintergrund.
- Fehlerhafter WLAN-Verbindungsaufbau.
Dennoch habe ich mich für eine Bestellung entschlossen. Das vierte Gerät war fast fehlerfrei: Nach einer zu grellen Beleuchtung, massiven Farbwolken, falsch in den Text leuchtenden Bereichen und sogar komplett defekten Bildschirmzeilen kommt mein vierter Paperwhite nur mit einem daumengroßen, leicht rötlichen Bereich am unteren Rand (nur sichtbar bei 60% Beleuchtungsstärke) und einem unschönen Knacken, wenn man unten rechts auf den Rand unter dem Display drückt. Auch wenn Amazon stets problemlos tauscht ist die Produktqualität somit mangelhaft. Ob ich wegen der beiden Probleme weitere Austauschorgien auf mich nehme werde ich später entscheiden.
Inbetriebnahme
Amazons inakzeptable Einrichtungsprozedur hat sich nicht verändert:Es muss alles von Hand auf den neuen Kindle geschaufelt werden und alle Einstellungen gehen verloren. Amazon hat weiterhin kein Konzept für den Kindle-Wechsel. Immerhin klappt der Import der Sammlungszuordnung von anderen Geräten.
Das Display
Der Paperwhite kommt mit einem höher aufgelösten eInk-Display als frühere Modelle, was vor allem bei Bildern positiv auffällt, bei Schriften aber nur bei sehr geringen Größen bemerkbar ist. Der Bildschirm stellt wie immer dunkelgraue Schrift auf gelbgrauem Hintergrund dar und ist umso besser lesbar, je stärker das Umgebungslicht ist. Tageslicht oder eine helle und möglichst direkte künstliche Beleuchtung sorgen für eine hervorragende Lesbarkeit.
Die integrierte Beleuchtung
Der Paperwhite enthält eine eingebaute Beleuchtung, welche das Display von Vorne beleuchtet. Einige Leuchtdioden am unteren Bildschirmrand strahlen Licht aus, welches von einer über dem Bildschirm verteilten Schicht wieder nach unten auf den Bildschirm reflektiert wird.
Wer erwartet, dass sein Kindle damit immer so grandios lesbar sei, wie bei heller Umgebungsbeleuchtung, dürfte nach ersten Tests enttäuscht sein: Der Bildschirm wird in unangenehm blauweißem Licht beleuchtet und verliert Kontrast: Schriften wirken matt und nicht mehr durchgehend scharf. Die Umwandlung des gelbgrauen Hintergrunds in einen weißeren Hintergrund wäre theoretisch tagsüber ebenfalls möglich, wirkt aber angesichts der dann einsetzenden Matschigkeit eher kontraproduktiv. Die Beleuchtung dient mir daher als Notbeleuchtung in der Nacht, wobei hier der Blauanteil im Licht sehr störend wirkt. Immerhin kann ich somit Nachts lesen, ohne meine Frau zu stören. Dennoch fühle ich mich von Amazon betrogen, denn TV-Werbung und Bilder auf der Website zeigen eine andere Beleuchtung.
Die Lichtstärke kann in verschiedenen Stufen variiert werden, wobei das Licht aber niemals aus ist: Auch auf Stufe Null legt sich blauweißes Licht auf den Bildschirm und nimmt dem Hintergrund die gelbwarme Farbe, was man gut beim Ausschalten beobachten kann, wo erst die Lampen ausgehen und danach der Bildschirmschoner einsetzt.
Amazons Beleuchtung enttäuscht somit auf ganzer Linie.
Schriftdarstellung
Ich bin bereit, bei einem E-Book-Reader auf gewisse Eigenheiten eines Buches zu verzichten, weil der Reader andere Vorteile bietet: Geruch, Material, Farbe, Einband und Schnittverzierungen werden eingetauscht gegen ein geringeres Gewicht, geringere Größe, die ständige Verfügbarkeit von Büchern, den leichteren Bezug fremdsprachlicher Bücher, eingebaute Wörterbücher und die gewonnene Wohnraumfläche. Was bleibt also bei einem E-Book-Reader übrig, um Sinnlichkeit zu vermitteln?
Schrift.
Leider…
"Amazon’s goal should be for Kindle typography to equal print typography. They’re not even close. They get a pass on this only because all their competitors are just as bad or worse. Amazon should hire a world-class book designer to serve as product manager for the Kindle."
via Daring Fireball
Der Kindle 4 wurde mit einer sehr breiten Caecilia-Schrift ausgeliefert, weshalb ich zunächst die alternative Schriftart Overlock installieren musste. Erst ein Software-Update führte eine schmalere Caecilia ein, mit der ich gut leben konnte. Sie war nicht hübsch, aber erträglich.
Der Paperwhite kommt erneut mit einer mir zu breiten Caecilia, die ich zudem nicht auf die gleiche Größe wie beim Kindle 4 einstellen kann. Die sonstigen Schriftarten wirken einfallslos und werden, wie beispielsweise Baskerville oder Palatino, in einer helleren Schriftfarbe dargestellt (somit mit weniger Kontrast). Drei Wochen lang habe ich zwischen verschiedenen Schriften gewechselt, ohne eine für mich erträgliche zu finden - von Freude, die ich beim Betrachten empfinde, ganz zu schweigen.
Glücklicherweise lassen sich gänzlich ohne Jailbreak oder Zusatzsoftware weitere Schriften installieren und andere auf dem Gerät bereits vorhandene aktivieren. So komme ich nun in den Genuss von Overlock, Rambla, Source Sans Pro und Titillium Web als von mir installierte Sans Serif-Schriftarten, sowie TBMincho als bereits vorhandene Serif-Schriftart. Titillium ist mein Caecilia-Ersatz: Dick, kontrastreich, aber schmaler als Caecilia und etwas technisch wirkend. Source Sans Pro ist dagegen die Schnörkellosigkeit in Schrift. Overlock und Rambla bewegen sich dazwischen, sind somit gut lesbar, bieten aber auch etwas für's Auge. Overlock und Titillium sind selbst in der kleinsten Schriftgröße noch sehr gut lesbar (es gibt also keine Probleme mit abnehmenden Kontrast). Damit kann ich zumindest auf dem Paperwhite wieder lesen, ohne mich aufregen zu müssen.
Die Software
Der Paperwhite kommt mit einer für die Touch-Bedienung angepassten Software, die mittlerweile auch für den Kindle Touch verfügbar ist. Die Software fühlt sich mit Menüs, Buttons und Gesten sehr nach einem Tablet an, was irritierenderweise dem Kindle sein altmodisches Auftreten nimmt, welches er selbst noch mit der alten Touch-Oberfläche hatte. Der Paperwhite fühlt sich an wie ein Tablet, welches zufällig ein eInk-Display hat. Selbst der Browser ist verwendbar!
Die Touch-Oberfläche sorgt für leichte Markierungen, das schnelle Nachschlagen von Begriffen und das bequeme Tippen von Notizen. Die Bedienung wirkt dennoch häufig unpraktischer als zuvor. Konnte man auf dem alten Kindle mit seinem Daumen quasi alle steuern, so muss man jetzt wie bei einem Tablet über den Bildschirm huschen.
Fazit
Der Paperwhite muss sich bei mir gegen den klassischen Kindle behaupten, dessen einziger Nachteil die fehlende Lesbarkeit bei schlechtem Licht war. Im direkten Vergleich gibt es nur wenige Vorteile. Im Vergleich zum Vorgänger, dem Kindle Touch, gibt es mit der Beleuchtung sogar nur zwei kleine Vorteile: Eine bei Schriftdarstellung kaum merklich erhöhte Auflösung und die eher schlechte Beleuchtung.
Vorteile
- Die Touch-Oberfläche ermöglicht einfaches Nachschlagen und Markieren von Wörtern.
- Die Touch-Oberfläche ermöglicht leichteres Tippen mit der Tastatur.
- Die Touch-Oberfläche ermöglicht eine bessere Navigation im Shop und Web-Browser.
- Darstellung der Bücher mit Cover anstelle mit reinen Listen.
- Die Beleuchtung ermöglicht das Lesen im Dunkeln.
- Etwas höhere Auflösung (nur sichtbar bei sehr kleinen Schriftarten und Bildern).
- Darstellung der restlichen Lesezeit
Nachteile
- Die Beleuchtung ist weißblau.
- Die Beleuchtung ist nicht abschaltbar.
- Die Beleuchtung ist ungleichmäßig, vor allem im unteren Bereich.
- Zu breite Schriften, teils mit weniger Kontrast als Caecilia.
- Touch-Oberfläche erfordert teils lange Wege.
- Instabilerer Webbrowser.
- Instabileres Betriebssystem (in den wenigen Wochen der Nutzung ist mir das Gerät mehrmals eingefroren).
- Der Paperwhite ist schwerer.
- Der Paperwhite ist dicker.
- Es gibt keine Knöpfe mehr zum Blättern.
- Das Querformat ist nicht mehr beliebig drehbar.
- Kein direkter Kapitelsprung mehr möglich (nur noch über das Menü).
- Extreme Serienstreuung mit vielen fehlerhaften Geräten.
Meine drei Wünsche
Momentan wirkt der Kindle wie ein unfertiges Stück Technik. Meine drei Wünsche für den Paperwhite:
- Komplett abschaltbare Beleuchtung.
- Wärmere Lichtfarbe.
- Tasten zum Blättern.