Volksentscheide in Berlin sind eine tolle Sache, sofern man auf der Ja-Seite steht und diese Ja-Seite "gewinnt". Gewinnt sie nicht, so muss jemand die Schuld haben. Diese Schuldigen waren in der Twitter-Welt schnell gefunden und sehr originell: Die Anderen. In diesem Fall der "faule Wähler", der nicht hingegangen ist. Der "Idiot". Und natürlich die CDU-SPD-Koalition, die den Volksentscheid nicht zur Bundestagswahl hat durchführen lassen, sondern einige Wochen nach dieser. Weshalb zu wenige Leute hingegangen sind. Womit sich der Kreis mit den "Idioten" wieder schließt.
Es haben 29,1% der Wahlberechtigten teilgenommen. Davon haben 83% mit "Ja" gestimmt, was 24,1% der Wahlberechtigten entspricht. Verglichen mit dem Volksentscheid zum Berliner Wasser bedeutet dies: Die Wahlbeteiligung war höher. Im Gegensatz zum Wasser-Volksentscheid haben nur weniger Leute mit Ja gestimmt (dort satte 98,2%).
Der Unterschied ist nicht nur bemerkenswert, da damit die Verschiebungs-Aktion der regierenden Koalition nicht aufgegangen ist. Der Unterschied ist auch bemerkenswert, da 16,8% mit "Nein" gestimmt haben, verglichen mit 1,7% (!) beim Wasser-Volksentscheid. Volksentscheide stehen nämlich in Berlin auf Auto-Ablehnen. 25% der Wahlberechtigten, nicht der tatsächlich Wählenden, müssen mit "Ja" stimmen. Wer nicht hingeht zählt für das Quorum im negativen Sinne mit. Obwohl es somit nicht erforderlich ist, für eine Negativ-Stimme teilzunehmen haben dies 16,8% der Wählenden gemacht.
Den Berlinern hier Faulheit vorzuwerfen ist folglich vollkommen falsch. Im Gegenteil: Die Berliner waren offenbar hoch motiviert und mit den Plänen so sehr nicht einverstanden, dass sie zusätzlich zum Nicht-Hingehen auch noch hingegangen sind und mit "Nein" gestimmt haben.
Der vorgeschlagene Entwurf wurde also richtig schön und solide abgelehnt. Das sollte man akzeptieren.