Evernote dient mir als Archiv für alles, wird per Mail mit weitergeleiteten Rechnungen befüllt, erhält eingescannte Post, macht ein OCR darüber, ermöglicht eine Volltextsuche und enthält Ordner und viele Schlagworte, sowie gespeicherte Suchen und ist (client-seitig) in die Google-Suche des Browser integriert und zeigt damit Evernote-interne-Suchergebnisse parallel zu den Google-Treffern an. Mit den unterschiedlichen Clients auf nahezu allen Plattformen und etlichen Integrationen in Drittanbieterwerkzeuge ist Evernote zudem eng verzahnt und überall greifbar.
Evernote nervt mich seit der aktuellen Version 5. Es ist langsam, häufig unbenutzbar und verliert auf meinem iPhone 4s gerne eben erstellte Notizen durch Abstürze. Ein Notizbuch mit 1.000 Notizen auf einem Rechner löschen kann das Evernote auf dem Rechner daneben problemlos mehr als zehn Stunden beschäftigt halten, Lüfterdröhnen inklusive. Hinzu kommt: Die Zusammenarbeit mit der Telekom stört mich, da ich hier die Entwicklung zu einem Managed Service wittere und die NSA-Geschichte würde man ja auch gerne umgehen. Kurz gesagt: Evernote fühlt sich zunehmend schlechter an.
Das Evernote-Gesamtwerk mit mehr als 15.000 Dokumenten durch eine Alternative zu ersetzen ist leider deutlich aufwändiger als einige Dateien aus der Dropbox zu entfernen und erfordert zunächst eine Analyse:
- Welche Dokumentarten sind gespeichert?
- Welche Funktionen benötige ich wo/wann?
- Welche Dokumente benötige ich wo/wann?
- Woher kommen die Dokumente?
Ich kategorisiere hier genauso wie bei Dropbox:
- Öffentliche Dokumente. Diese teile ich bereits mit anderen oder sie entstammen öffentlichen Quellen wie Twitter, App.net, Disqus oder last.fm.
- Nicht öffentliche Dokumente, die aber auch öffentlich sein könnten. In diese Grauzone fallen z.B. Notizen aus meinem Spanischkurs, meine Liste gelesener Bücher oder Handbücher.
- Private Dokumente. Das sind z.B. eingehende und ausgehende Briefe, Rechnungen (auch von iTunes und Amazon), Urlaubsplanungen und Konfigurationen.
In Evernote sortiere ich Dokumente grob in Ordner ein und mache die Detailzuordnung per mittels hierarchischer Schlagworte. Es gibt somit z.B. hauptsächlich zwei Haufen für eingehende und ausgehende Kommunikation, die fast alles beinhalten und einige zusätzliche, kleinere Ordner. Ich sammle das in einer Tabelle:
Ordner | # | Anmerkung | Kategorie | Quelle | Zugriff von | Verwendete Funktionen |
---|---|---|---|---|---|---|
Post (eingehend) | 1591 | Fast die gesamte eingehende Kommunikation. | 3 | Mail, Datei | Primär Mac, selten mobil | Mailimport, Import aus Dateisystem, Anhänge, OCR, Volltextsuche, Links zwischen Dokumenten |
Damit weiß ich, was ich wann benötige und von wo es wie nach Evernote gelangt ist, sowie wie privat es ist und kann mit der Umstellung auf ein anderes System beginnen.
Alternativprodukte
Auf Basis der oben gesammelten Informationen lassen sich die Anforderungen definieren und die einzelnen Produkte vergleichen. Ich habe das nicht gemacht, sondern mir gleich Devonthink angeschaut, welches ich vor etwa 8 Jahren schon einmal getestet hatte. Von Devonthink kann man sich eine Testversion laden, mit der man 150 Stunden herum spielen darf. 150 Betriebsstunden, nicht 150 Stunden ab Installation!
Kosten
Evernote kostet in der Premium-Variante, die Texterkennung enthält, jährlich 40€.
Devonthink kostet in der Variante "Office Pro", die Texterkennung enthält, einmalig 140€.
Aufbau
Evernote verwendet eine Datenbank, in dieser zwei Ordnerhierarchien sowie als Parallelstruktur hierarchische Tags. Devonthink verwendet beliebig viele Datenbanken, beliebig viele Ordnerhierarchien, als Parallelstruktur hierarchische Tags und farbige Labels.
Evernote synchronisiert seine gesamte Datenbank, sofern es sich nicht um Offline-Ordner handelt, über die Evernote-Server mit anderen Evernote-Installationen. Alle synchronisierten Evernote-Daten liegen somit auf den Evernote-Servern. Devonthink bietet verschiedene Sync-Methoden an, z.B. WebDAV-Server und Dropbox, kann aber auch ein Netzlaufwerk verwenden. Wie bei Evernote existiert somit eine lokale Datenbank auf jedem einzelnen Mac und die Abgleichdatenbank, über die Änderungen ausgetauscht werden. Bei mir liegt letztere auf dem NAS, ist somit lokal und unterwegs per VPN erreichbar, sodass sich alle Devonthink-Installation abgleichen können. Da Devonthink verschiedene Datenbanken verwendet kann man pro Mac auswählen, welche Datenbank aus dem NAS synchronisiert werden soll, was Speicherplatz und Synchronisationszeit spart.
Beide Programme unterstützen externe Applikationen und bei diesen auch Autosave. Ein in Evernote oder Devonthink gespeichertes Bild kann also z.B. in Preview geöffnet und dort gedreht werden. Beim Schließen des Bildes wird es Preview automatisch speichern und die Änderung landet in Evernote bzw. Devonthink und synchronisiert sich auf alle anderen angeschlossenen Installationen.
Übernahme von Daten aus Evernote
Ich habe in Evernote reine Textnotizen, formatierte Notizen, Notizen mit PDF-Anhängen und Bildanhängen, sowie Notizen mit einer Kombination aus beidem abgelegt. Devonthink unterstützt dies ebenfalls, sodass nur noch das Wie der Migration geklärt werden muss.
Devonthink kommt mit einem Evernote-Importer, der fast gut funktioniert. Man kann einzelne Ordner übernehmen (Notizbücher im Evernote-Jargon). Die dort enthaltenen Dokumente werden mit ihren Tags und sonstigen Metadaten (z.B. URL, Erstellungsdatum) übernommen. Ich habe es zunächst mit den archivierten Handbüchern und anschließend etlichen anderen Ordnern getestet. Die Inhalte werden in der Regel übernommen, es gibt aber einige Besonderheiten, die ich im Folgenden beschreiben und die folgenden Workflow für die Migration etabliert haben:
- Filterung nach PDF-Dateien und Prüfung auf den korrekt gesetzten Dateinamen per Applescript.
- Migration der Dateien per Import-Funktion. Anschließend Löschen der Dateien in Evernote.
Unnamed File Attachment
Evernote hat bei manchen Anhängen den Dateinamen verloren. Dieser Anhang wird als "Unnamed File Attachment" in Evernote angezeigt. Devonthink importiert das Dokument dann eingebettet in einer HTML-Datei. Hier muss man zuerst Evernote reparieren und die Datei noch einmal "richtig" hinzufügen, dann importiert Devonthink auch korrekt. Ein Rechtsklick auf den Anhang in Evernote offenbart den Menüpunkt "Rename Attachment". Anstregend ist eher betroffene Dateien zu suchen, denn das geht in der Evernote-Oberfläche schlicht nicht. Etwas Applescript hilft:
set theAttachments to {}
set selectedItems to {}
set output to "<html><head><meta charset='macintosh'></head><body><ol>"
tell application "Evernote"
set selectedItems to selection
repeat with selectedItem in selectedItems
set thisTitle to (title of selectedItem)
set theAttachments to (attachments of selectedItem)
repeat with theAttachment in theAttachments
set theFilename to (theAttachment's filename)
if theFilename is missing value then
set noteURL to note link of selectedItem
set output to output & "<li><a href='" & noteURL & "'>" & thisTitle & "</a>" & return
end if
end repeat
end repeat
end tell
set output to output & "</ol></body></html>"
set fileName to "Evernote.html"
set folderPath to "/Users/truhe/Downloads/"
set theFile to POSIX file (folderPath & "/" & fileName)
set N to open for access theFile with write permission
set eof N to 0
write (output as text) to N
close access N
tell application "Finder" to open theFile
Kopieren, im Script-Editor einfügen, zu prüfende Notizen in Evernote auswählen und das Skript im Script-Editor starten. Als Ergebnis öffnet sich der Browser mit einer anklickbaren Liste von Notizen, die Anhänge ohne Dateinamen enthalten. Der Dateiname selber kann in Evernote geändert werden (Rechtsklick auf den Anhang).
Das Skript ist sehr simpel und funktioniert nicht bei gespeicherten HTML-Seiten, sondern wirklich nur bei PDF-Notizen, da eingebettete Bilder in HTML-Seiten ebenfalls keinen Titel haben, aber von Devonthink importiert werden können.
Bilder werden als HTML-Datei importiert
Evernote-Notizen, die nur aus einem Bildanhang bestehen, werden nach Devonthink als HTML-Datei importiert, die das Bild referenziert. In Devonthink ist das Bild folglich sichtbar, aber Devonthink interpretiert es nicht als Bild. Suchen funktionieren in der Folge nicht richtig, es kann nicht im eigenen Bildbetrachter geöffnet werden und als externe Applikation wird Google Chrome verwendet, nicht die Preview. Das ist folglich inakzeptabel, betrifft bei mir aber eine zweistellige Zahl von Dokumente, bei denen ich es manuell korrigieren kann, wenn es mich irgendwann stören sollte.
Titel von PDF-Dateien wird nicht übernommen
In Evernote abgelegte Scans sind alle mit einem Erstellungsdatum, einem Titel und Tags versehen. Der Titel wird nicht übernommen. Stattdessen wird der Dateiname als Titel verwendet:
Als Alternative gibt es ein Applescript, welches ausgewählte Notizen aus Evernote importieren kann und dabei den Titel beibehält. Für reine PDF-Notizen verwende ich folglich dieses Skript.
PS: Mittlerweile mit einem Update behoben. Der DEVONthink-Importer macht das jetzt also richtig!
Mehrere Anhänge werden nicht unterstützt
Bislang habe ich Mails an Evernote umgeleitet, auch Mails, die mehrere PDF-Dokumente als Anhang enthielten. Evernote zeigt diese Dateien anschließend inline an. Grundsätzlich kann man in Evernote jederzeit ein PDF einfügen und "über" diesem PDF weiteren Text hinzufügen. Mit beidem kann Devonthink nichts anfangen, denn es gibt dort nur Text und PDF als separate Typen. Beim Import macht Devonthink aus einem solchen Dokument mehrere: Text, gefolgt von einzelnen PDFs.
Evernotes Ansatz der alles könnenden Notiz finde ich hier charmanter und auch zeitgemäßer.
Nicht alle Tags werden importiert
Das dürfte für die meisten egal sein, aber ich habe in Evernote Sternchen (wie in iTunes) als Tags gespeichert und meine Bücher damit bewertet. Diese Sternchen werden nicht importiert und lassen sich nicht als Tags anlegen. Ich verwende dort jetzt vorerst Labels, also Farben:
Sync zwischen mehreren Macs
Das Wichtigste!
Der Haupt-Mac enthält eine lokal gespeicherte Datenbank mit Dingen. Über die Devonthink-Einstellungen (unter "Sync") legt man zunächst einen neuen lokalen Sync Store an. Diesen speichere ich auf meinem NAS (der USB-Stick an meiner Fritz!Box, den ich per Samba im Finder gemountet habe). Anschließend verbinde ich die lokale Datenbank mit dem Sync Store. Das sieht dann am Ende so aus:
Theoretisch kann ein Sync Store beliebig viele Datenbanken aufnehmen. Ich lege dennoch für jede Datenbank einen Sync Store an. Anschließend kann man per Sync-Button unten rechts einen initialen Sync starten, bei dem die lokale Datenbank in den Sync Store übernommen wird.
Auf dem zweiten, noch leeren Mac, binde ich dann diesen Sync Store ein:
- Zunächst den Sync Store vom NAS als "Existing Local Sync Store" hinzufügen.
- Anschließend auf "Import Database" klicken. Die folgende Dialogkette fragt zunächst nach dem Sync Store, aus dem importiert werden soll, anschließend nach der Datenbank, die aus diesem importiert werden soll, liest dann die Daten ein und fragt am Ende nach dem Speicherort für die lokale Datenbank.
Hat man diese Einrichtung einmal hinter sich funktioniert alles weitere wie bei Evernote automatisch. Devonthink gleicht sich je nach den Einstellungen stündlich oder beim Start ab. Natürlich ist auch ein manueller Abgleich möglich, entweder über den Sync-Button in der Toolbar für die aktuelle Datenbank oder per "Synchronize All" im File-Menü.
Zu beachten ist, dass Devonthink zwar die Datenbanken synchronisiert, nicht aber alles, was außerhalb dieser Datenbanken geschieht. Applikationseinstellungen und globale Smart Folder werden z.B. nicht synchronisiert (aber natürlich alle Smart Folder in den Datenbanken).
Fazit
Die Umstellung zwischen unterschiedlichen Systemen ist nicht einfach. Häufig läuft es auf die Frage hinaus, wieviel Aufwand man betreiben möchte, um möglichst alle Inhalte exakt übernehmen zu können. Reibung entsteht immer dort, wo Quell- und Zielsystem unterschiedliche Datenstrukturen vorweisen oder es kein Äquivalent gibt. Die Umstellung von Evernote auf Devonthink funktioniert unter diesem Gesichtspunkt gut. Hilfestellung findet man auch für eher spezielle Probleme im Forum und dank der vielen im Netz verfügbaren Applescripte.
Evernote ist von der Oberfläche her zugänglicher, wogegen Devonthink durch die verschiedenen Ansichten und flexibleren Möglichkeiten zunächst irritiert. Dennoch: Bereits nach wenigen Stunden ist die Oberfläche gerade durch die Flexibilität einleuchtender. Ich kann Dinge dort ablegen, wo ich möchte und nicht, wo Evernote dies wünscht.
Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich Devonthink in der Praxis schlägt.