Die aktuelle Diskussion im Ad-Blocker bringt mich dazu, über Werbung nachzudenken: Welche Werbung nehme ich bewusst wahr? Wann empfinde ich Werbung als nicht störend? Welche Werbung beeinflusst mein Kaufverhalten?
Ich meide Werbung. Ich lese keine Werbung, die in meinem Briefkasten landet. Ich möchte keine Werbung als Mail erhalten und auch keine Newsletter. Litfaßsäulen nehme ich als Dekoration wahr. Die neueren surrenden Werbetafeln stören mich, da sie Unruhe in die Umgebung bringen. Displays mit Werbung stören mich ebenso - sie lenken mich von der Welt ab. Apps mit Werbung verwende ich nicht, da ich nicht versehentlich auf ein Banner klicken möchte. TV-Werbung überspringe ich in Aufnahmen, da ich ungern angebrüllt werde. Sollte ich doch versehentlich Live-TV schauen, so mache ich den Ton aus oder verlasse den Raum. Und so geht es immer weiter. Ich möchte keine nicht angeforderte Werbung in meinem Leben. Werbung stört. Werbung lenkt ab. Werbung ist immer schlecht. Jemand möchte mir etwas verkaufen, das ich nicht angefordert habe.
Natürlich funktioniert diese Werbung dennoch. Drei ungeöffnete Werbebriefe von Kabel Deutschland und ein defekter Alice-DSL-Anschluss haben mich zu einem Kabel Deutschland-Kunden gemacht. Aber erst, als diese Provider-Änderung erforderlich war, nicht davor. Und auch erst nach Recherche verschiedener Angebote.
Und dann gibt es gewünschte Werbung: Den Lovefilm-Newsletter z.B., der mich über neue Filme informiert. Die iTunes-Benachrichtungen bei Updates meiner "Künstler". Die automatisch gemäß meiner Hörgewohnheiten in meinem Kalender aufpoppenden Konzerthinweise von last.fm. Die Buchempfehlungen von tracknewbook.com. Diese gewünschte Werbung habe ich bewusst angefordert. Ich empfinde sie nicht als störend, sondern als Dienstleistung. Sie ist zudem auf mich personalisiert und enthält nur Dinge, die mich interessieren, was somit in der Regel in Käufen resultiert.
Womit wir beim klassischen Gegensatz zwischen Push und Pull sind. Werbung ist normalerweise Push. Sie drängt sich ungefragt in mein Leben. Ich möchte Pull. Ich möchte mir Informationen suchen, Dinge vergleichen und evt. dafür auch von mir im Vorfeld ausgewählte Werbung erhalten.
Wenn ich neue Möbel suche, dann öffne ich die bevorzugten Websites der Möbelunternehmen, klicke mich durch deren Kataloge, fahre hin und kaufe. Ebenso bei Elektronik. Nur dann, in diesem Moment des Suchens, bin ich empfänglich für Push-Werbung, sofern diese unaufdringlich daher kommt.
Leider funktioniert die Werbeindustrie anders. Es gibt keine zentrale Stelle, an der ich sagen könnte, dass ich jetzt für eine Woche Angebote für Produkte der Kategorie X in der Preisspanne Y erhalten möchte, woraufhin sich alle Webseiten, TV- und Radio-Sender und Werbemails entsprechend verhalten (und nach dieser Woche auch wieder verstummen). Werbung ist heutzutage immer Push und das Höchste der Gefühle sind personalisierte Newsletter, die vorausgewählten Themenbereichen entsprechen oder eine gespeicherte Suche in KaufDa.
Dafür brauchen wir eine Lösung. Die Lösung ist aber nicht, immer penetrantere Werbung zu erfinden. Große Beamer wie z.B. auf dem S-Bahnhof Friedrichstraße in Berlin, die das Farbschema des Bahnhofs durch ein deutlich kälteres Weiß sprengen. Surrende Werbetafeln und Litfaßsäulen, die jede verbliebene Ruhe vernichten. Werbeflächen, die sich über die Inhalte von Webseiten legen und damit verhindern, dass ich die Webseite lesen kann. Werbebanner, die in Apps an Stellen erscheinen, an denen normalerweise die Standardbuttons lägen und somit versehentliche Klicks erzeugen, die dann Abos auslösen.
Die Werbebranche befindet sich momentan in einem Aufmerksamkeitskrieg gegen ihre Kunden und die Medien machen, da ihnen alternative Finanzierungsmodelle nicht einfallen, dabei mit. Ein Ad-Blocker im Web-Browser ist die letzte Verteidigungslinie und schon aus Selbstschutz erforderlich. Die Penetranz von Werbung in der "echten Welt" lässt mich eher bedauern, dass wir nicht auch dafür einen Ad-Blocker besitzen.